07. Mai 2023 / Autor: Max Beutlrock / Kategorie: Herren 1, Spielberichte
Die SG Kempten-Kottern sichert sich nach einem nervenaufreibenden 30:30 bei der HSG Würm-Mitte sensationell den dritten Tabellenplatz in der Bezirksoberliga Alpenvorland.
Die ganz großen Entscheidungen in der Liga sind bereits vor dem letzten Spieltag gefallen. Die SG Unterpfaffenhofen-Germering steigt als ungeschlagener Meister in die Landesliga auf und der TSV Ottobeuren 2 und der TSV Gilching müssen den Gang in die Bezirksliga antreten. Zudem muss der SV Pullach in die Abstiegsrelegation. Daher war der Fernkampf um Tabellenplatz drei zwischen Kempten und Weilheim das Highlight zum Saisonfinale. Die beiden Teams standen vor dem Spiel mit 23:15 punktgleich. Weilheim hatte die Nase aufgrund des gewonnenen direkten Vergleichs vorne. Dennoch waren die Allgäuer hochmotiviert, auf der Zielgeraden noch vorbeizuziehen. Dafür war jedoch Schützenhilfe der SG Kaufbeuren-Neugablonz nötig, die die Weilheimer zwei Stunden vor dem Spiel der Kemptener empfingen. Als sich bei den Blau-Roten in der Kabine herumsprach, dass Kaufbeuren tatsächlich deutlich gegen die Oberbayern führte, war klar, dass sie nun aus eigener Kraft auf Platz drei springen können. Hierfür wäre ein Punkt gegen die HSG Würm-Mitte nötig, die jedoch keinesfalls als Laufkundschaft zu bewerten ist. Immerhin standen die Hausherren mit 32:6 Punkten souverän auf Rang zwei und eilten in den vergangenen Wochen von einem klaren Sieg zum nächsten. Aber auch die SG’ler waren angesichts ihrer Form guten Mutes. Immerhin waren auch sie seit acht Partien ungeschlagen.
Zu Beginn des Spiels war von diesem vermeintlichen Selbstvertrauen jedoch nur wenig zu sehen. Vielmehr wirkten die jungen Gäste nervös und schienen nicht befreit aufzuspielen. Die abgezockten Hausherren aus dem Würmtal nutzen diese Unsicherheiten eiskalt aus und lagen schnell in Front. Besonders in der Defensive fanden die Allgäuer kaum Lösungen und präsentierten ihren Kontrahenten zum Teil riesige Lücken. Auch vorne war von einem vernünftigen Spielfluss wenig zu sehen. Erfolge konnten nur durch gute Einzelleistungen verbucht werden. Beim Stand von 9:5 in der 15. Minute nahm SG-Trainer Zoltan Sellei seine erste Auszeit und versuchte, seine Mannschaft wachzurütteln. Er änderte die Abwehr auf eine 3-2-1-Formation, um den spielstarken Rückraum der HSG im Aufbau besser zu stören. Wirklich funktionierte dieser Wechsel zunächst nicht. Das Heimteam wirkte stets einen Schritt schneller und fand konstant die Lücken im Kemptener Defensivverbund. Auch das Rückzugsverhalten der SG’ler war oft mangelhaft und lud Würm-Mitte zu mehreren einfachen Treffern ein. Einigen guten Situationen direkt vor dem Pausenpfiff war es zu verdanken, dass es lediglich mit 19:14 in die Kabinen ging. Dort musste Sellei erneut vor allem mentale Aufbauarbeit leisten. Dass sein Team sich hier handballerisch nicht verstecken musste, konnten sie in einzelnen Aktionen immer wieder beweisen, aber die Ansätze waren zu unkonstant. Dazu musste wieder einmal festgestellt werden, dass die große Stärke, das Tempospiel, nicht konsequent genug umgesetzt wurde. Doch auch nach dem Wiederanpfiff wirkten die SG’ler in vielen Momenten nicht clever genug oder hatten zum Teil auch einfach nicht das nötige Quäntchen Glück auf ihrer Seite, um den Rückstand zu verkleinern. Als dann auch noch einige fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen die Gemüter auf der Bank der Illerstädter erhitzten, schien das Momentum endgültig auf Seiten von Würm-Mitte zu kippen und der Treffer zum 24:16 in der 39. Minute wirkte bereits wie die frühe Vorentscheidung. Doch wie aus dem Nichts bekamen die Kemptener die zweite Luft, rafften sich zusammen und brannten auf beiden Seiten des Balles ein regelrechtes Feuerwerk ab. Die nun folgenden zehn Spielminuten waren wohl das Beste, das die junge Mannschaft in dieser Saison gezeigt hat. Die defensive Grundordnung wurde erneut umgestellt. Dieses Mal auf eine 5-1-Formation. Diese Maßnahme schien sofort zu greifen. In der Verteidigung präsentierten sie plötzlich eine ganz andere Körpersprache und konnten nahezu jeden Versuch ihrer Gegner im Keim ersticken. Auch wenn es schwer ist, aus diesem extrem starken Kollektiv einzelne Spieler hervorzuheben, fielen vor allem Manuel Müller, Philipp Schneider und Noah Huber mit ihrem unermüdlichen Kampfgeist auf. Letzterer konnte im Verlauf der Partie noch einen kleinen „persönlichen Erfolg“ feiern. Defensivspezialist Huber erhielt seine insgesamt 13. gelbe Karte in dieser Spielzeit und liegt damit im ligaweiten Vergleich einsam an der Spitze. Auch offensiv schien nun alles zu funktionieren. Die zahlreichen Ballgewinne wurden konsequent im Tempospiel zu Toren umgemünzt und auch der Positionsangriff wirkte nun deutlich griffiger. Die Rückraumakteure der SG, Daniel John, Lukas Bareth und Simon Bareth, fanden selbst kleine Räume in der gegnerischen Defensive und erzielten reihenweise sehenswerte Treffer oder waren nur noch durch strafstoßwürdiges Einsteigen zu stoppen. Auch vorne erwies sich Manuel Müller als verlässlicher Schütze von Linksaußen und netzte insgesamt sieben Mal ein. Die Führung der Oberbayern schmolz im Minutentakt dahin und in der 48. Minute gelang den Gästen tatsächlich der Ausgleich zum 25:25. Doch auch die HSG steckte nicht auf und stemmte sich ihrerseits gegen die nun stark aufspielenden Illerstädter. In der Schlussphase merkte man beiden Teams zwar die Erschöpfung einer harten Begegnung an, aber auch den unbedingten Siegeswillen. Auf ein Tor der einen Mannschaft folgte prompt der Gegenschlag und Kopf an Kopf ging es in die absolute Crunchtime. Würm-Mitte schien hier am Ende nun doch nochmals die Oberhand zu erlangen und setzte die SG mit dem Treffer zum 30:28 dreieinhalb Minuten vor Abpfiff gewaltig unter Druck. Diesem hielten sie jedoch stand, behielten die Ruhe und verkürzten auf 30:29. Einmal noch konnten sie den Angriff der Hausherren abwehren und es war klar, dass Kempten den letzten Ballbesitz des Spiels haben würde. Zehn Sekunden vor Ende nahm sich Daniel John einen Wurf aus dem Rückraum, dieser wurde geblockt und landete jedoch abermals in seinen Händen. Erneut holte er aus und verwandelte den Schlagwurf dieses Mal in der Schlusssekunde zwischen die Beine des gegnerischen Torhüters zum 30:30 Endstand. Wenige Momente später fand er sich unter einem Haufen seiner jubelnden Mitspieler wieder, die den hart erkämpften und durchaus überraschenden dritten Tabellenplatz nach einer langen Saison ausgiebig feierten.
Auch Sellei war die Freude nach dem Abpfiff sichtlich anzumerken: „Ein ganz großes Kompliment an meine Mannschaft. Dass wir uns nach einer so fahrigen und nervösen ersten Hälfte mit solch einem Kraftakt nochmals zurückmelden, hätte ich schon fast nicht mehr für möglich gehalten. Hier kann heute wirklich jeder extrem stolz auf sich sein. Das war in Sachen Kampfgeist und Leidenschaft das Beste, was ich von meiner Mannschaft bisher gesehen habe. Wir haben nie aufgegeben und gegen einen richtig starken Gegner bewiesen, was für ein enormes Potenzial in diesem Team steckt. Ich freue mich extrem über den dritten Tabellenplatz. Das hätten wir weder vor der Saison noch in der Winterpause für möglich gehalten. Wir haben uns konstant weiterentwickelt und uns für die harte Arbeit schlussendlich belohnt. Ich hoffe jedoch, dass das nur der vorläufige Höhepunkt unserer Reise ist und wir nächste Saison noch einen weiteren Schritt nach vorne machen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit diesem Kader über kurz oder lang den Aufstieg in die Landesliga in Angriff nehmen können.“
Für die SG spielten:
Max Beutlrock (TW), Frieder Mari (TW), Jannik Merfels (TW), Simon Bareth (4/4), Marco Stahler (1), Leo Steiner (3), Daniel John (9), Patrick Schmutz, Franz Schroeder, Simon Pfeiffer, Manuel Müller (7), Philipp Schneider, Noah Huber, Lukas Bareth (6/1)